Transexualität
Transsexualität beschreibt eine angeborene Störung der Geschlechtsidentität (ICD, F64.0)mit Ablehnung des angeborenen Geschlechts und der damit verbundenen Geschlechterrolle. Die Betroffenen streben die Angleichung des körperlichen an das psychische Geschlecht an. Die Angleichung verläuft juristisch, hormonell sowie operativ. In Deutschland werden pro Jahr ca. 150 geschlechtsangleichende Operationen durchgeführt.
Die Prävalenz der Transsexualität liegt bei etwa 1:42000, das Verhältnis Männer zu Frauen bei ca. 1,5:1. Die optimale Betreuung der Patienten ist nur durch eine enge interdisziplinäre ärztliche Zusammenarbeit zu gewährleisten. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Transsexualität im Allgemeinen, über die Diagnostik, Therapie und die operativen Methoden aus der klinischen Erfahrung der Urologischen Abteilung der Uniklinik Köln.
Transsexualität - Ein Tabuthema?
Transsexualität
Mit der zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz und der Abnahme einer Ausgrenzung von Menschen mit von der Norm abweichender sexueller Orientierung werden die Störungen der Geschlechtsidentität gleichsam häufiger erkannt. Das klassische Mann-Frau-Prinzip gerät immer mehr in den Hintergrund.
Die Transsexualität beschreibt eine Diskrepanz zwischen dem angeborenen körperlichen Geschlecht und dem seelischen Geschlecht. Sie wird auch als psychogene Intersexualität bezeichnet und beschreibt keine Störung der Sexualität an sich, sondern der sexuellen Identität (1). Seit 1979 wird die Transsexualität im damaligen ICD-9 aufgeführt. Heute zählt sie im ICD-10 zu den Störungen der Geschlechtsidentität (F64) und ist unter dem Überbegriff „Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F6)“ zu finden.
Erstbeschreiber der Transsexualität war im Jahre 1954 Harry Benjamin (2). Geschlechtsdysphorische Personen sind jedoch schon viel früher in zahlreichen Mythologien zu finden (Tiresias bei Ovid, Enarees bei Herodot) Weiterhin findet sich Transsexualität in zahlreichen alten Kulturen weltweit.
Als Synonym kann Transidentität, Transgender, Gender Dysphoria oder Gender Disorder verwendet werden.
Diagnose:
Abzugrenzen ist das Krankheitsbild der Transsexualität von anderen Geschlechtsidentitätsstörungen wie der jugendlichen vorübergehenden Störung der Identitätsentwicklung, der Intersexualität und des Transvestitismus. Vor der Diagnosestellung „Transsexualität“ müssen andere psychische Störungen wie z.B. Schizophrenie, bipolare Störung, genetische, chromosomale oder intersexuelle Störungen ausgeschlossen werden. Der Wunsch, dem anderen Geschlecht zugehörig zu sein, muss mindestens 2 Jahre kontinuierlich bestehen. Aufgrund der Irreversibilität nach Beginn der Therapie sollte die Diagnose Transsexualität besonders streng und korrekt gestellt werden.
In der Realität erfolgt häufig eine Selbstdiagnose durch die Betroffenen. Ratsuchenden bietet das Internet eine große Plattform für den Austausch mit Gleichgesinnten in zahlreichen Foren und Selbsthilfegruppen an. Der Selbstdiagnose schließen sich nicht selten, vor allem bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen, erste Versuche einer hormonellen Selbstmedikation an. Die Präparate sind heutzutage relativ problemlos über das Internet zu beziehen. Durch die psychotrope Wirkung der Steroide wird eine korrekte psychologische Diagnosefindung und Abgrenzung gegenüber anderen Störungen erschwert.
Die medizinische Diagnose und die Indikation zur weiteren Therapie werden durch einen Facharzt für Psychiatrie gestellt. Es wird eine biographische Anamnese mit Schwerpunkt auf die Entwicklung der Geschlechtsidentität und der psychosexuellen Entwicklung erhoben. Erst das psychiatrische Gutachten ermöglicht eine Fortsetzung der Geschlechtsangleichung – juristisch, hormonell und operativ.
Ätiologie:
Die Ursache von Transsexualität ist weiterhin Gegenstand vieler Untersuchungen, jedoch heute noch ungeklärt. Es wurden viele Theorien über die Entstehung veröffentlich, welche einer kritischen Überprüfung nicht standhielten. Ob es überhaupt eine fassbare und einheitliche Ursache für Transsexualität gibt, ist bislang nicht nachgewiesen. Man vermutet einen Einfluss auf die kindliche Entwicklung während der pränatalen Phase. (4)
Symptome:
Die diagnostische Methode der Wahl ist das Gespräch und die Aufarbeitung der Geschlechtsentwicklung mit besonderem Augenmerk auf die Kindheit. Erste Züge transsexuellen Verhaltens zeigen meist schon im frühen Kindesalter. Beschrieben werden vor allem Verhaltensweisen, welche dem konträren Geschlecht zugeordnet werden. Früh findet sich ein gegengeschlechtliches Spielverhalten, das Tragen von gegengeschlechtlichen Kleidern in der Kindheit oder Pubertät, sowie die Ablehnung der eignen angeborenen Geschlechterrolle. Häufig wird von den betroffenen Kindern der Wunsch geäußert ein Junge/Mädchen zu sein. Vor der Pubertät bewirkt die Hoffnung auf ein verspätetes Wachstum der gewünschten Genitalien die Betroffenen vor größeren psychosozialen und emotionalen Krisen. Die pubertäre Entwicklung der Geschlechtsmerkmale wird mit Ekel und Abscheu betrachtet und häufig versteckt. Selten sind diese auch Ziel autoaggressiven Verhaltens.
Häufig werden die Betroffenen von ihrer Familie und der Gesellschaft in die ungewollte angeborene Geschlechterrolle und zu „geschlechter-typischen“ Aktivitäten (Fußball für Jungs, Ballett/Tanzen für Mädchen) gedrängt. Dies bewirkt eine mit den Jahren größer werdende Verzweiflung und fördert die Entwicklung psychiatrischer Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und weiteren psychiatrischen Auffälligkeiten. Gleichsam wird die Persönlichkeitsentwicklung und soziale Eingliederung durch die geringe gesellschaftliche Akzeptanz beeinträchtigt.
Nach erfolgreich durchgeführter juristischer und vor allem operativer Geschlechtsangleichung fühlen die Betroffenen eine tiefe Dankbarkeit und beschreiben ein Gefühl der Zufriedenheit und ein Wohlfühlen im eigenen Körper. Ein vollständiges Zugehörigkeitsgefühl in die Gesellschaft ist erstmals möglich. Diese Erfahrungen machen wir in unserer klinischen Tätigkeit häufig. Die Zufriedenheit und das Maß an Lebensqualität der Betroffenen korreliert direkt mit dem operativen Ergebnis (5).
Häufigkeit:
Über die Häufigkeit der Transsexualität in der Allgemeinbevölkerung gibt es wenig repräsentative Studien. Die ersten systematischen Untersuchungen stammen aus den 1960er Jahren. Aufgrund der Tabuisierung der Sexualität in dieser Zeit ist die Prävalenz der Transsexualität sehr gering. Erst der offene Umgang mit der Sexualität hat das Outing und damit die repräsentative Erhebung der Prävalenz ermöglicht. Obwohl die Dunkelziffer auch heutzutage noch beträchtlich ist. Osburg und Weize (6) veröffentlichten 1993 die Anzahl von ca. 150 geschlechtsangleichenden Operationen pro Jahr in Deutschland. Davon sin ca. 50-75 Operationen Frau-zu-Mann-Angleichungen und 75-100 Mann-zu-Frau. Insgesamt ist die Prävalenz der Transsexualität mit 1:42000 bis 1:48000 anzugeben. Das Verhältnis von männlichen Transsexuellen zu Weiblichen beträgt 1,5: 1 (7). Die Anzahl geschlechtsangleichender Operationen in Deutschland nimmt seit 1992 stetig zu.
Verfahren der Anerkennung:
Der erste Schritt nach Diagnose- und Indikationsstellung durch einen Psychiater ist meist die gegengeschlechtliche hormonelle Therapie und die Durchführung des sogenannten Alltagstests. Die gesetzlichen Krankenkassen (im weiteren GKV abgekürzt) und die meisten Operateure verlangen von den Betroffenen vor der geschlechtsangleichenden Operation einen „Probelauf“ im abgestrebten Geschlecht. Die Transsexuellen treten im Alltagstest in der Öffentlichkeit im gewünschten Geschlecht auf und erfahren so wie der Alltag als Mann/Frau verläuft, ob ihre Vorstellungen erfüllt werden und ob dieses Leben für sie dauerhaft gewünscht wird. Parallel zum Alltagstest wird von der GKV eine begleitende Psychotherapie zum Ausschluss tiefgreifender psychischer Störungen (Neurosen, Suizidale Tendenzen, Abhängigkeiten/Süchte, Paraphilien, Psychosen, hirnorganische Störungen) gefordert. Manche Krankenversicherungen verweigern die Übernahme der Kosten für die hormonelle Therapie in dieser Zeit. Dies ist eine zusätzliche Belastung der Betroffenen während des Alltagstests. Häufig erfolgt bei Anfragen zur Kostenübernahme für die Behandlung eine Ablehnung der Kostenübernahme durch die GKV. In Einzelfällen wird eine gutachterliche Stellungnahme durch den medizinischen Dienst verlangt, obwohl alle benötigten psychiatrischen Gutachten vorliegen. Diese Überprüfungen empfinden die Betroffenen als unangenehm. Falls die Betroffenen finanziell nicht in der Lage sind die anfallenden Kosten für die Psychotherapie oder die Einleitung der hormonellen Therapie zu übernehmen, kann die Verzögerung durch der Therapie durch die Krankenkassen unter Umständen mehrere Jahre dauern. Dies hat gelegentlich die Entwicklung einer psychiatrischen Erkrankung (Depression, Suizidalität, etc.) zur Folge und verursacht weitere Kosten für das Gesundheitssystem.
Hormontherapie:
Nach der psychiatrischen Indikationsstellung kann die medizinische/ somatische Therapie mit der gegengeschlechtlichen Hormontherapie beginnen (10). Die Therapie wird meist von Allgemeinmedizinern oder endokrinologisch erfahrenen Psychiatern eingeleitet. Aufgrund fehlender Daten über die möglichen Folgen einer gegengeschlechtlichen Langzeithormontherapie sollte sie nur von erfahrenen Ärzten durchgeführt und engmaschig klinisch überwacht werden. Vor Einleitung der Therapie müssen Kontraindikationen (siehe Tabelle 2) ausgeschlossen werden, da innerhalb kurzer Zeit irreversible körperliche Veränderungen auftreten. Je höher das Alter bei Therapieeinleitung, desto langsamer kommt es zu körperlichen Veränderungen. Die körperlichen Veränderungen sind bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen nach ca. 1,5 Jahren, bei Frau-zu-Mann-Transsexuellen nach ca. 1 Jahr abgeschlossen. Bei Frauen beginnt die Therapie häufig mit einer Verabreichung von Gestagenen, um die Menstruation zu unterdrücken. Die antiandrogene Therapie erfolgt meist durch ein intramuskuläres Depot von Testosteronenantat alle 3 Wochen. Bei Frauen bewirkt die Hormonsubstitution bereits innerhalb von 4-6 Wochen eine Zunahme des Körpergewichts um ca. 4,5kg durch gesteigerten Muskelaufbau. Die virilisierenden Effekte beginnen, wie in der Pubertät mit einem tieferwerden der Stimme und dem männlichen Behaarungsmusters (11). Nach 6 Monaten zeigen sich sonografisch polyzystische Ovarien. Von besonderer Bedeutung ist das hormonell induzierte Wachstum der Klitoris. Sie kann zur operativen Geschlechtsangleichung mit Bildung eines Klitorispenoids verwendet werden. Psychologisch zeigt sich eine verstärkte Libido.
Bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen wird die hormonelle Therapie präoperativ meist als 2- fach Therapie durchgeführt. Es werden gegengeschlechtliche Hormone, meist Ethylestradiol (EE) mit bis zu 100 µg täglich, sowie Antiandrogene, meist Cyproteronacetat (10mg- 100mg täglich), eingesetzt. Postoperativ erfolgt meist eine Umstellung auf parenteral verabreichte natürliche Östrogene, um das Risiko therapiespezifischen Nebenwirkungen (thrombembolische Ereignisse, Osteopenie) zu minimieren. Sollten Risikofaktoren vorliegen, kann auch bereits präoperativ die Therapie mit natürlichen Östrogenen begonnen werden. Unter der Hormontherapie kommt es bei Männern rasch zu einem Libidoverlust durch welchen die ungeliebten morgentlichen Erektionen ausbleiben sowie zu einer Gewichtszunahme durch den Abbau von Muskelmasse. Nach ca. 6-8 Wochen kommt es zu einer Gynäkomastie und einer Sensibilitätssteigerung der Brustwarzen. Trotz hormonell induzierter Brustbildung entscheiden sich 50-60% der MzF-Transsexuellen für eine operative Brustvergrößerung. Der Bartwuchs wird durch die hormonelle Therapie reduziert, eine Epilation ist aber meist erforderlich. Nach 2-3 Monaten setzt eine Fettumverteilung von abdominal nach gluteal- femoral ein.
Die Hormonsubstitution muss aufgrund der operativen Kastration lebenslang fortgesetzt werden. Bei dieser dauerhaften gegengeschlechtlichen Hormontherapie gibt es bei beiden Geschlechtern unerwünschte Nebenwirkungen (Thromboserisiko, Osteoporose, Leberwerterhöhung, Cholelithiasis, Mamma- bzw. Prostatakarzinom) welche aber durch die Betroffenen in Kauf genommen werden (12). Die Mortalität dieser Patientengruppe entspricht jener der Normalbevölkerung. Allerdings zeigt sich bei FzM-Transsexuellen eine 9-fach, bei MzF-Transsexuellen eine 14-fach erhöhte Suizidrate. Dies wird durch die gesellschaftliche und soziale Isolation vieler Transsexueller erklärt.
Operative Therapie: Mann-zu-Frau
Für die Einleitung einer operativen Geschlechtsangleichung ist die gegengeschlechtliche Hormontherapie obligat. Diese sollte jedoch 4 Tage vor bis 10 Tage nach der Operation pausiert werden, um thombembolische Komplikationen zu vermeiden. Die operative Therapie hat das Ziel der weitest möglichen körperlichen Angleichung an das angestrebte Geschlecht. Nach erfolgreich absolviertem 1-jährigen Alltagstest, der Vorlage zweier unabhängiger psychiatrischer Gutachten und der Kostenübernahmeerklärung der GKV kann die operative Therapie in mehreren Kliniken deutschlandweit durchgeführt werden.
In Deutschland ist die Gruppe der operativ tätigen Fachabteilungen sehr heterogen. Geschlechtsangleichende Operationen werden von plastischen Chirurgen, Urologen, Gynäkologen oder allgemeinen Chirurgen durchgeführt. Aufgrund der Komplexität des chirurgischen Eingriffs ist immer eine interdisziplinäre Betreuung der Patienten erforderlich. Die Auswahl an Vertragskliniken für eine Mann-zu-Frau-Angleichung (MzF-Angleichung) ist mit ca. 20 Kliniken vs. 3-5 Kliniken weitaus größer als die der Frau-zu-Mann-Angleichungen (FzM-Angleichung). Trotz der Häufigkeit dieses Eingriffes weltweit gibt es keine operative Standardmethode für die geschlechtsangleichende Operation (13, 14). Dies erschwert für die Betroffenen folglich die Auswahl der für sie geeigneten Klinik. Der Großteil des Informationsflusses findet, wie bereits erwähnt im Internet statt. Dort werden in zahlreichen Foren Kliniken und Operateure empfohlen wie auch einer schlechten Bewertung unterzogen.
Bei der geschlechtsangleichenden Operation von Mann-zu-Frau besteht des operative Vorgehen aus folgenden Schritten: Orchiektomie, Penektomie, Vaginoplastik und Neoklitorisplastik. Das operative Vorgehen variiert von Operateur zu Operateur. Die Bildung einer Neovagina wurde von Dupuytren 1817 erstmals beschrieben.
In der urologischen Klinik der Universität zu Köln wird mit der Auskleidung der Neovagina mit Penishaut eine häufig von Urologen durchgeführte Methode der MzF-Angleichung praktiziert. Sie wurde erstmals 1957 von Gillies und Millard beschrieben und wird heute modifiziert durchgeführt. Es werden zunächst beide Hoden durch einen skrotalen Zugang entfernt und die Corpora cavernosa, sowie das Corpus spongiosum reseziert (siehe Bild 1,2). Letzteres könnte, falls unvollständig reseziert, zu obstruktiven Miktionsstörungen durch eine Kompression der Urethra bei sexueller Erregung führen. Die Urethra wird gekürzt und später an typischer Position oberhalb der Neovagina ausgeleitet (siehe Bild 3). Die Bildung der Neovagina erfolgt ventral des Rektums. Die Neovagina wird ausgekleidet durch die haarlose Penisschafthaut, welche invertiert und durch einen intravaginalen Platzhalter fixiert wird. Die Tiefe der Neovagina ist folglich abhängig von der ehemaligen Länge des Penis. Aus einem Teil der Glans penis wird eine Neoklitoris gebildet. Durch Schonung des neurovaskulären Gefäßbündels bleibt die Sensibilität und Orgasmusfähigkeit erhalten. Aus der skrotalen Haut werden abschließend die großen und kleinen Labien konstruiert (siehe Bild 4).
Die Komplikationen dieses Eingriffs sind vor allem intra- und postoperative Blutung, Infektion, Meatusstenose, Rektumperforation mit vorübergehender Anlage einer protektiven Anus praeters, Nekrose der Neovagina oder Atrophie im weiteren Verlauf. In der Uniklinik Köln wurden bislang 50 MzF-Angleichungen durchgeführt. Hier zeigte sich je 1 Fall von Rektumperforation sowie Prolaps der Neovagina. In 3% aller Fälle kam es zu einer Meatusstenose bzw. Bildung einer hypospaden Harnröhre. Intra- oder postoperative Blutungen traten in ca. 10% aller Fälle auf.
Die Patientinnen nach geschlechtsangleichender Operation sind durchschnittlich ca. 7 Tage in stationärer Behandlung (Uniklinik Köln). Eine Entlassung in das häusliche Umfeld und die ambulante Nachbehandlung ist möglich, sobald die obligate Reinigung und der Wechsel des intravaginalen Kunststoff-Platzhalters durch die Patientinnen selbst durchgeführt werden kann. Diese Maßnahme ist unerlässlich um einer Atrophie der Neovagina entgegenzuwirken und vaginalen Geschlechtsverkehr zu ermöglichen. Sollte es trotz aller Bemühungen zu einer vaginalen Atrophie kommen, ist die Möglichkeit der Bildung einer Neovagina aus ausgeschalteten Dünn- oder Dickdarmanteilen eine Option. Diese Operation sollte in Zusammenarbeit mit einer viszeralchirurgischen Fachabteilung durchgeführt werden. Nach 2-3 Monaten werden in manchen Fällen kleine Korrekturoperationen (Introitusweitung, Klitorisverkleinerung oder Labienkorrektur) durchgeführt.
Andere weltweit durchgeführte Methoden sind, wie bereits erwähnt, die Auskleidung der Neovagina mit Spalthaut, welche an den Innenseiten der Oberschenkel oder der Oberarme entnommen wird. Dieses Verfahren ist mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung von Nekrosen behaftete. Gleichsam muss an den Spalthautentnahmestellen weitere Narbenbildung in Kauf genommen werden. Bei dieser Methode kann jedoch eine Neovagina mit nahezu beliebiger Tiefe konstruiert werden. Als weiteres Operationsverfahren verfolgen einige Operateure die Methode der vaginalen Auskleidung mit Skrotalhaut. Dies führt gelegentlich zu Problemen aufgrund der naturgemäßen Behaarung der skrotalen Haut, so dass der Operation eine Epilation vorangehen sollte.
Weitere sich häufig anschießende Operationen sind die Mamma-Augmentationsplastik, die Cricothyreoideopexie zur Anhebung der Stimmlage sowie weitere kosmetische Korrekturen wie ein sog. Thyreoid-shave zur Größenreduktion des Kehlkopfes, Kinn- und/oder Rhinoplastik.
Operative Therapie: Frau-zu-Mann-Angleichung
Für die Änderung des Personenstandes ist lediglich die Ovar- und Hysterektomie und die damit verbundene Zeugungsunfähigkeit erforderlich. Die Operation wird heute in den meisten Kliniken laparoskopisch-assistiert oder als totale laparoskopische Hysterektomie durchgeführt. Die Phalloplastik oder Penisrekonstruktion wird aufgrund ihrer Komplikationsträchtigkeit nicht vorausgesetzt. Der Wunsch nach einer Phalloplastik ist jedoch trotz der Risiken bei den Betroffenen ungebrochen. Wobei weniger die Sexualität, als vielmehr die soziale Integration (Miktion im Stehen, auch in der Öffentlichkeit, Saunagänge, etc.) im Vordergrund steht. In Deutschland gibt es, wie der Graphik 1 zu entnehmen ist, mehrere Vertragskliniken, die diese aufwendige und mehr schrittige Operation durchführen. Die Fallzahlen unterscheiden sich beträchtlich- ebenso die operativen Ergebnisse. In Deutschland werden die meisten geschlechtsangleichenden Operationen von Frau-zu-Mann durch Dr. Paul J. Daverio (15) in der privaten Sanssouci-Klinik in Potsdam durchgeführt. Dort erfolgt einzeitig in einer 7-9 stündigen Operation die Mastektomie, Ovar- und Hysterektomie, Kolpektomie sowie die Konstruktion eines Rolllappenpenoids. Den Daten der Dissertation von Yves Steinmetz, Hamburg 2010 (16) ist zu entnehmen, dass dort, im Vergleich zu den anderen Vertragskliniken, die Rate an postoperativen Komplikationen und Revisionseingriffen mit 5% am geringsten ist. Wir werden aufgrund dessen im Detail nur auf diese operative Methode eingehen. In der Literatur sind ca. 16 verschiedene Lappenplastiken und zahlreiche weitere Operationsverfahren zur Phalloplastik erwähnt. Die Ziele der Phalloplastik sind die optische Anpassung an das gewünschte Geschlecht, die Schaffung einer Neourethra, um vor allem eine Miktion im Stehen zu ermöglichen, und die Möglichkeit einer Erektion sowie erhaltener Sensibilität (17). Aufgrund der Komplexität des Eingriffes gibt es häufig eine erhebliche Diskrepanz zwischen den hohen Erwartungen der Betroffenen und der operativen Möglichkeiten.
Bei der operativen Methode nach Daverio wird mikrochirurgisch ein freier Vorderarmlappen mit sensibler Versorgung und einem langen Gefäßstiel entnommen. Dann werden in der sog. Tube-in-tube-Technik die Neourethra und das Penoid geformt. Die weibliche Harnröhre wird mit den Labia minora verlängert. Das Penoid wird in der pubischen Region positioniert, der Gefäß- und Nervenstiel des Penoids an die Venen und Arterien des Oberschenkels und die Nervenenden an die inguinalen Nerven angeschlossen. Aus den Labia majora wird das Skrotum konstruiert. Der Hebedefekt des Unterarms wird durch eine Vollhauttransplantation aus Gewebe der Leistenregion oder der Mamma- Reduktionsplastik gedeckt und hat kein sensibles oder motorisches Defizit zu Folge. Nach durchschnittlich 12 Tagen ist eine Miktion im Stehen und nach 2 Wochen eine Entlassung in die häusliche Umgebung möglich. Die postoperative Komplikationsrate wird mit 5 % angegeben. Die häufigsten Komplikationen sind Harnröhrenstenosen oder Harnröhrenfisteln. Ein kompletter Verlust des Penoids geschieht selten. Nach 8-10 Monaten wird, falls dies von den Patienten gewünscht wird, eine hydraulische Schwellkörperprothese und Hodenprothesen aus Silikon implantiert.
Andere operative Methoden sind zum Beispiel die Bildung eines Klitorispenoids, welches zwar keine sexuelle Funktion aufweist, jedoch die Miktion im Stehen und damit die gewünschte soziale Integration ermöglich. Bei dieser Methode sind lediglich die Verlängerung der weiblichen Harnröhre und die Mobilisation der, durch die gegengeschlechtliche Hormontherapie hypertrophierten, Klitoris erforderlich. Das Klitorispenoid erreicht eine maximale Länge von ca. 4-5 cm.
Postoperative Nachsorge:
Unabdingbar für eine erfolgreiche Geschlechtsangleichung ist die Sicherstellung einer optimalen postoperativen Nachsorge. Denn ein optimales operatives Ergebnis ist entscheidend für eine zufriedenstellende soziale Integration. Leider existieren keine standardisierten Empfehlungen. Aus medizinischer Sicht sollte bei beiden Geschlechtern eine regelmäßige Bestimmung des Hormonspiegels, eine Knochendichtemessung alle 3 Jahre sowie eine jährliche allgemeine körperliche - und Blutuntersuchung erfolgen. Bei MzF-Transsexuellen sollte die Tastuntersuchung der Prostata fortgesetzt werden. Weiterhin sind eine jährliche gynäkologische Untersuchung mit zytologischem Vaginalabstrich, Brustkrebsvorsorge sowie eine Kontrolle der regelmäßigen Bougierung der Neovagina zu empfehlen. Bei FzM-Transsexuellen sollte ebenfalls eine regelmäßige Brustkrebsvorsorge (cave: axilläres Restgewebe nach Mastektomie), gynäkologische Untersuchung des Scheidenstumpfs sowie eine Kontrolle der Testosteron i.m.-Injektionsstellen durchgeführt werden.
Fazit:
Durch den offeneren Umgang mit Sexualität im Allgemeinen, sind die Transsexualität und der Umgang mit Betroffenen in den letzten Jahren in der Gesellschaft und auch in den Medien präsenter geworden. Für die Betroffenen ist die Integration in die angestrebte Geschlechterrolle das erklärte Ziel. Dies versuchen sie durch langwierige juristische, psychologische und schmerzhafte operative Eingriffe zu erreichen. Die Gesellschaft sollte versuchen die seelische Qual und die Mühe anzuerkennen und die Betroffenen als der Mann bzw. die Frau zu sehen, die sie sind, ohne vor allem auf den Weg zu schauen den sie gegangen sind, um dies zu erreichen.